Probleme der Landwirtschaft wurden offen ausgesprochen

Bericht von Helmut Scheffler zur Podiumsdiskussion am 9.9. in Schermbeck auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Wesel: Mehr Fleisch - mehr Gülle - weniger Landwirte?

15.09.15 –

Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen lud zu einer Podiumsdiskussion ein
Schermbeck In dem Gülleeinsatz am Niederrhein sieht der Kreisverband Wesel von Bündnis 90/Die Grünen ein zunehmendes Problem. Die einzelnen Ortsverbände sehen das ähnlich. Nachdem der Ortsverband Rheinberg-Eversael bereits im Februar Landwirte und Politiker an einen Tisch gebeten hatte, veranstaltete der Kreisverband am Mittwoch in der Schermbecker Gaststätte Overkämping eine Podiumsdiskussion zum Thema „Mehr Fleisch, mehr Gülle, weniger Landwirte?“
In einem Eingangs-Statement berichtete Holger Schoel als der aus Schermbeck stammende Sprecher des Grünen-Kreisverbandes über die jüngsten Ergebnisse der Messungen von Nitratkonzentrationen im Schermbecker Grundwasser. Danach überschreiten die Werte deutlich die von der EU festgelegte Oberbelastung in Höhe von 50 mg/Liter. In Bricht wurden 63 mg/l gemessen, im Ortskern 67 mg/l, in Damm 73 mg/l und in Uefte sogar 120 mg/l.

Auf der Basis dieser Zahlen begann Moderator Andreas Vollmert von Best Words mit der Befragung der Podiumsteilnehmer. Dazu gehörten als Landwirte der Landtagsabgeordnete Norwich Rüße, Kreislandwirt Wilhelm Neu, Martin Ramschulte von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft und Dr. Michael Harengard aus Münster als Mitglied des BUND-Landesvorstands.

Schermbecker Landwirte und Grüne stellten zwar einen großen Anteil der mehr als 70 Besucher, aber Politiker und Landwirte waren auch aus Dorsten, Hünxe, Raesfeld und sogar aus Rheinberg gekommen. Der Moderator sorgte dafür, dass die kontroversen Standpunkte respektvoll ausgetauscht wurden, konnte aber nicht verhindern, dass noch weitere Themen aus der Landwirtschaft sich zeitweise langatmig verselbständigten. Dazu gehörten die fallendem Milchpreise ebenso wie ein aktuelles Hünxer Problem. Dort möchte ein niederländischer Investor eine Biogasanlage mit niederländischer Gülle betreiben. Landwirte aus Hünxe seien, so der Hünxer stellvertretende Kreislandwirt Wilhelm Wefelnberg, von der Güllelieferung ausgeschlossen.

Der Gülletourismus wurde als ein zentrales Manko ohne Widerspruch anerkannt. Der Kreis Borken wurde als Paradebeispiel genannt. Tag- und Nachtfahrten finden auch von Kirchhellen nach Gahlen statt. Konträre Auffassungen bestanden jedoch in der Frage, ob die Gülle eher ein Düngemittel als eine Gefährdung für das Trinkwasser ist. Kreislandwirt Neu wehrte sich gegen den Vorwurf, die Landwirte machten mit der Gülle, was sie wollten, und verwies auf die bestehende Gülleverordnung mit strengen Vorgaben.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zu größeren Betrieben ist aus der Sicht der Landwirte die Konsequenz zunehmender politischer Auflagen. „Neue Hürden bedeuten höhere Produktionskosten. Das führt zur Aufgabe kleinerer Betriebe“, stellte Heinrich Neu fest.

Einig waren sich Landwirte und Politiker, dass die Entlohnung für die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu niedrig sei. Als Ursachen wurde der Druck der Molkereien und des Handels ebenso ausgemacht wie die „Geiz ist geil“-Mentalität der meisten Verbraucher; in Deutschland würden durchschnittlich nur elf Prozent des Familieneinkommens für Nahrungsmittel ausgegeben.
Mehr als 70 Besucher diskutierten bei Overkämping über Probleme der Landwirtschaft. Foto: Helmut Scheffler
Der zunehmende Verbrauch von Medikamenten in der Tierhaltung wurde in doppelter Weise kritisiert. Er beeinträchtige die Fleischqualität und trage außerdem zur Verunreinigung des Grundwasser bei. Letzterem widersprach der Dammer Landwirt Hartmut Neuenhoff. Der Mist von den Tieren komme aufs Feld, Medikamente würden in den oberen Schichten abgebaut. Medikamente aus Krankenhäusern und Haushalten gelangten über die Kläranlagen ins Gewässer.

Abgehoben von der Diskussion über die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig waren jene Wortbeiträge, die sich auf die Bewahrung der Natur richteten. „Es muss einen Wertewandel geben“, forderte die grüne Dorstener Ratsfrau Susanne Fraund. Der Dorstener Gerd Schywol kritisierte die Mais-Massen auf den Feldern und die daraus resultierende Verarmung der Tierwelt. „Ich wünsche mir, wieder einmal eine Feldlerche hören zu können“, fasste Michael Harengerd in der Schlussrunde zusammen. Für den Landtagsabgeordneten Rüße steht fest: „Die europäischen Agrarfelder, die 40 Jahre fürs Wachsen und Weichen verwendet wurden, muss man künftig für kleinere Bestände und eine bessere Tierhaltung verwenden.“

Während der Versammlung saßen Landwirte und Politiker an getrennten Tischen. Danach kam man in gemischten Gruppen noch längere Zeit ins offene Gespräch miteinander. H.Sch.

Mehr als 70 Besucher diskutierten bei Overkämping über Probleme der Landwirtschaft. Foto: Helmut Scheffler

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