Gentechnikgesetz verschlechtert Schutz

Wegen der mit der Gentechnik verbundenen Gefahren setzen sich die Grünen im Kreis Wesel intensiv für eine gentechnikfreie Region am Niederrhein ein. Doch nutzt die beste Absicht wenig, wenn die Bundesregierung Anderes will. Wir dokumentieren eine Stellungnahme der bündnisgrünen Bundestagsfraktion zu den "Seehofer'schen Verwirrspielen":

17.01.08 –

Über zwei Gesetzesinitiativen der Regierung wird derzeit heftig gestritten: Das Gentechnik-Gesetz und eine weitere Gesetzesnovelle, in der die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung geregelt wird. Die Verwirrung und das Chaos nutzen Landwirtschaftsminister Horst Seehofer und die Regierungskoalitionen, um ihre massive Verschlechterung der Schutzregelungen für den gentechnikfreien Anbau und die Umwelt im Gentechnik-Gesetz zu vertuschen.

Beide Gesetze sollen nach langwierigen und zähen Verhandlungen, bei denen in regelmäßigen Abständen die Eckpunkte der Eckpunkte der Eckpunkte zur Änderung des Gentechnik-Gesetzes von Seehofer vorgelegt wurden, nun in einem Hauruck-Verfahren bereits in der nächsten Woche verabschiedet werden.

Gentechnik-Gesetz: Gentech-Anbau wird erleichtert, Schutz vor Verunreinigungen wird geringer

Das Gentechnik-Gesetz regelt bereits seit 1990 den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in Deutschland. Es wurde inzwischen mehrmals novelliert. In der rot-grünen Regierungszeit wurden unter anderem grundlegende Schutzregelungen für die gentechnikfreie Landwirtschaft – Haftung, Standortregister, Anbauvorschriften für Gentech-Pflanzen anbauende Landwirte – aufgenommen.

Mit der nun diskutierten Novelle des Gentechnik-Gesetzes werden diese Schutzregelungen nun wieder von Seehofer und den Regierungskoalitionen verschlechtert. So ist zum Beispiel vorgesehen, dass Gentech-anbauende Landwirte über Privatabsprachen mit ihren Nachbarn auf Schutzregelungen wie zum Beispiel die Einhaltung von Mindestabständen verzichten können. Der Nachbar, der nicht rechtzeitig auf den Wunsch seines Gentech-anbauenden Nachbarn reagiert, verliert seine Schutzansprüche gegen gentechnische Verunreinigungen. Also eine Umkehrung der Bringschuld zu Ungunsten der gentechnikfreien Produktion.

Außerdem sollen bei dieser schwarz-roten Veränderung des Gentechnikgesetzes Ausnahmeregelungen für Gentech-Pflanzen geschaffen werden, die zukünftig dann ganz aus wichtigen Schutzregelungen des Gesetzes herausgenommen werden sollen.

Aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen sind die Veränderungen eine eindeutige Verschlechterung des Gentechnik-Gesetzes - zu Gunsten der Agro-Industrie und zu Lasten von Umwelt, Verbraucher und gentechnikfreier Produktion. Trotz Ankündigungen hat die SPD bei den Koalitionsverhandlungen keine relevanten Änderungen an der schlechten Regierungsvorlage erreicht. Darum fordern wir in einem Antrag die Regierung auf, das Vorsorgeprinzip und den Schutz von Mensch, Umwelt und gentechnikfreier Produktion im Gentechnikrecht zu bewahren (Drs.-Nr. 16/6943).

Die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung im EG-Durchführungsgesetz

In diesem Gesetz mit dem sperrigen Titel werden schon seit Jahren EU-Rechtsgrundlagen zur Agro-Gentechnik umgesetzt wie zum Beispiel die EU-Gentechnik-Kennzeichnungsvorschriften oder die EU-Zulassungsverordnung für gentechnisch veränderte Pflanzen. Dieses Gesetz soll nun so geändert werden, dass die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnungsregelung aus der Neuartigen Lebensmittelverordnung (NLV) – die es bereits seit 1998 gibt - in das Durchführungsgesetz übernommen wird.

Aus Sicht von Bündnis90/Die Grünen ist die Kennzeichnungsmöglichkeit "ohne Gentechnik" gut und wichtig für die Wahlfreiheit der Verbraucher. Die nun von Seehofer vorgeschlagene Kennzeichnung ist nicht neu – theoretisch ist sie bereits seit 1998 möglich, als er selber in seiner damaligen Funktion als Gesundheitsminister diese Regelung in die Neuartige Lebensmittelverordnung aufnahm. Genutzt hat sie niemanden, denn sie wurde seinerzeit von Seehofer so konstruiert, dass sie an der Praxis vorbei geht. Wegen der fehlenden Kontroll- und Nachweismöglichkeiten sorgte sie für Rechtsunsicherheiten bei denjenigen, die das Label nutzen wollten. Das heißt, Seehofer verbessert mit seinem Vorschlag nun seine schlechte Verordnung, die er als Gesundheitsminister geschaffen hat, in dem er sie endlich an geltendes EU-Recht anpasst. Davon haben nicht nur diejenigen etwas, die das Label "ohne Gentechnik" als Marktvorteil zukünftig nutzen wollen, sondern auch die Verbraucher.

Kennzeichnung "ohne Gentechnik" ist gut – Schließung der EU-Gentechnik-Kennzeichnungslücke wäre besser

Bündnis90/Die Grünen fordern schon seit Jahren, dass die EU-Kennzeichnungslücke für tierische Produkte geschlossen wird und die Verwendung von Gentech-Futtermitteln obligatorisch zur Kennzeichnung führt. Die Schließung dieser Kennzeichnungslücke auf EU-Ebene wäre die beste Lösung um sicherzustellen, dass Verbraucher eine echte Wahlfreiheit zwischen gentechnikfreien und Gentech-Lebensmitteln haben und der Markt für gentechnikfreie Lebensmittel weiter gestärkt wird. Wir fordern darum auch in einem Antrag, dass sich die Regierung auf EU-Ebene dafür einsetzen soll, diese Lücke zu schließen (Drs.-Nr. 16/6944).

Solange aber nicht abzusehen ist, dass sich diese Schließung der Kennzeichnungslücke auf EU-Ebene durchsetzen lässt, ist eine Stärkung nationaler Lösungen wie die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" zu begrüßen. Denn wenn die Information, dass Gentech-Futtermittel verfüttert werden, schon nicht an die Verbraucher weiter gegeben werden muss, dann sollte zumindest die Information weiter gegeben werden können, dass die Landwirte keine Gentech-Futtermittel eingesetzt haben. Mit mehr Rechtssicherheit bei der Kennzeichnung "ohne Gentechnik" können gentechnikfreie Regionen ihre Produkte positiv kennzeichnen und Initiativen z.B. zur Erzeugung gentechnikfreier Milch werden gestärkt. Das Beispiel Österreich zeigt, wie groß das Interesse an seriös ausgezeichneten gentechnikfrei erzeugten Lebensmitteln ist. 80 Prozent der erzeugten Milch in Österreich ist bereits als gentechnikfrei deklariert.

Wölfe im Schafspelz

Eine kleine - etwas zynische - Geschichte zum Schluss: Die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie, die sich derzeit als "Verbraucherschützer" stark machen und die Kennzeichnung "ohne Gentechnik" als Mogelpackung titulieren, waren seinerzeit bei dem Streit um die EU-Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung genau die, die sich vehement gegen eine Kennzeichnung von tierischen Produkten sträubte. Angeblich weil keine Gen-Konstrukte in den tierischen Produkten wie der Milch nachweisbar wären. Damit haben sie erreicht, dass Verbraucher bis heute nicht an einem Gen-Label erkennen können, dass sich die Gentechnik-Futtermittelindustrie über die tierischen Produkte auf den Markt drängt. Nun verkleiden sich diese Interessensvertreter auf einmal als "Wölfe im Schafspelz" und rufen lauthals, dass die Verwendung von gentechnisch hergestellten Zusatzstoffen oder Tierarzneimitteln – wenn diese anders nicht mehr verfügbar sind und den strengen Vorschriften der EU-Öko-Verordnung entsprechen – Verbrauchertäuschung sei. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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