Verpatzter Regierungsstart

In Wahlkampfreden fordern Union und FDP gern den schlanken Staat. Doch diese Forderung ist wenig wert. Das beweisen die ersten Monate gemeinsamer Regierungsverantwortung.

20.03.10 – von Quelle: Der Steuerzahler März 2010, Magazin des Bundes der Steuerzahler –

Seit ihrem Amtsantritt geht es Schwarz-Gelb vor allem darum, die neue Macht für neue Posten und für zusätzliche Staatsausgaben zu nutzen. Das Liberale Sparbuch, in dem die FDP-Bundestagsfraktion in den Vorjahren immer wieder sehr detaillierte Einsparungen im Bundeshaushalt in Milliardenhöhe vorgeschlagen hatte, ist nur noch Makulatur. Einige Beispiele:

Jährlich 125.000 Euro sollte jedes Bundesministerium durch Streichung eines Staatssekretärspostens einsparen. Doch inzwischen verfügt Schwarz-Gelb sogar über mehr Staatssekretäre als die Große Koalition. Als Ex-Außenminister Steinmeier Ende 2007 zur Koordinierung seiner Vizekanzlerschaft einen dritten Staatssekretär ins Auswärtige Amt berief, empörten sich die Liberalen völlig zu Recht. Doch statt diesen „haarsträubenden" und „einmaligen Vorgang" in der Geschichte des Auswärtigen Amts (0-Ton FDP) rückgängig zu machen, besetzten die Liberalen den Posten nach dem Machtwechsel kurzerhand neu — mit dem ehemaligen Büroleiter des FDP-Vorsitzenden Westerwelle!

 

Knapp 80 Millionen Euro wollten die Liberalen durch die Auflösung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung einsparen. Doch das Presseamt existiert bekanntlich weiterhin. Zudem ist der ehemalige Pressechef der FDP-Bundestagsfraktion neuer stellvertretender Leiter des Bundespresseamts geworden. Die CSU hatte ihrerseits während der Koalitionsverhandlungen auf einem zusätzlichen Vizechefposten bestanden. Seit Jahresbeginn ist nun die bisherige Pressechefin der CSU-Frauen-Union die zweite stellvertretende Leiterin des Bundespresseamts. So sieht Parteienproporz statt Steuerzahlerentlastung aus!

 

Wo ist das Sparbuch?

 

Laut Liberalem Sparbuch 2009 sollte der Etat des Entwicklungshilfeministeriums um satte 500 Millionen Euro gekürzt werden. Im Bundestagswahlkampf forderte die FDP gar die Abschaffung dieses Ministeriums. Doch in den Koalitionsverhandlungen wurde das Ressort den Liberalen zugeschlagen. Was die FDP dann schnell abschaffte, waren die Abschaffungspläne höchst selbst. Das Entwicklungshilfeministerium dient inzwischen vor allem der Karriereentwicklung verdienter FDP-Kader. Der ehemalige FDP-Generalsekretär wurde bekanntlich Ressortchef, der FDP-Bundesgeschäftsführer beamteter Staatssekretär, aus der Parteizentrale und der Bundestagsfraktion kamen die neuen Pressesprecher, und ein Abteilungsleiterposten ist an einen Fraktionsmitarbeiter gegangen. So überrascht es auch nicht, dass die Budgetkürzungspläne vom Tisch sind. Der schwarz-gelbe Haushaltsentwurf sieht für das laufende Jahr sogar einen Ausgabenzuwachs um 67 Millionen Euro im Entwicklungshilferessort vor!

 

Transparenz war gestern

 

Weil allen Liberalen Sparbüchern zum Trotz in fast keinem Ministerium gespart werden soll, steigen die Bundesausgaben in diesem Jahr auf voraus¬sichtlich 325 Milliarden Euro. Inklusive der Nebenhaushalte wird der Bund deshalb neue Kredite im Volumen von rund 100 Milliarden aufnehmen. Im Sinne gebrochener Wahlversprechen ist es insofern auch konsequent, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion nach dem Wahlsieg schnell von der Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler verabschiedet hat. Im Mai 2008 hatte die Fraktion ihren Internetauftritt mit der Schuldenuhr geschmückt. Man wolle „die mangelnde Haushaltsdisziplin der sogenannten Großen Koalition sichtbar" machen, hieß es damals. Mit der Schuldenuhr nun auch die mangelnde Haushaltsdisziplin von Schwarz-Gelb sichtbar zu machen, wollte sich die FDP dann doch nicht zumuten. Nun, bekanntlich glauben kleine Kinder, dass versteckte Dinge tatsächlich weg sind. Nur verschwinden Staatsschulden leider nicht, wenn man die Schuldenuhr offline schaltet.

 

Postenexplosion

 

Eine weitere Dreistigkeit plant Schwarz-Gelb für den gesamten Verwaltungsapparat des Bundes. Hier sollen im laufenden Jahr satte 1.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Gleichzeitig behauptet aber die Regierung, per Saldo sogar knapp 600 Stellen abzubauen. Um zu diesem Resultat zu kommen, argumentiert die neue Regierung mit jenen knapp 1.600 Stellen, die im Zuge der pauschalen Abbauverpflichtung des Jahres 2009 weggefallen sind. Im Klartext: Die neue Regierung will der Öffentlichkeit weismachen, dass ihr eigener Stellenaufbau wegen des Stellenabbaus der Vorgängerregierung ein schwarz-gelber Stellenabbau sei. Genauso gut könnte ein Kind nach einem weiteren Eis greifen und behaupten, dass dies Enthaltsamkeit sei, da die Schwester in der Vorwoche bereits auf zwei Eiskugeln verzichtet habe.

Die offizielle Begründung für die Stellenlawine fällt hemdsärmelig aus: Die neuen Posten seien u. a. für „organisatorische Umstrukturierungen" und für „Strukturverbesserungen in den Häusern" nötig. Dabei arbeiten bereits mehr als 18.000 Mitarbeiter direkt in den Ministerien. Dass dieses Personal nicht in der Lage sein soll, entsprechende Strukturverbesserungen, Stellenplanoptimierungen oder Verwaltungsmodernisierungen zu organisieren, versteht kein Steuerzahler.

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Kreisfraktion