Haushaltsrede 2003 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Haushaltsrede 2003 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

13.12.02 –

Sehr geehrte Frau Landrätin, meine Damen und Herren,

der Haushalt für das kommende Jahr 2003 wird heute im Dezember 2002 verabschiedet.

Das ist vernünftig.

Einen Haushalt – wie in den Legislaturperioden zuvor – erst im März für das bereits laufende Jahr zu beschließen, war wenig einsichtig.

Von daher: Die Zeitvorgabe ist richtig.

Jedoch: Sind die inhaltlichen Beschlüsse ebenso richtig, nachvollziehbar und schlüssig?


Traditionsgemäß beginne ich mit grünen Grundsatzpositionen:


Altlasten:
Gekürzt werden darf nicht im Bereich der „Sanierung von Altlasten“.
Im Kreis Wesel gibt es eine Vielzahl hochbrisanten Altlasten. Es wäre politisch wie ökologisch nicht verantwortbar, die Sanierung immer weiter hinaus zu zögern. Deshalb muss der gleiche Haushaltsansatz gelten wie im Jahr zuvor.


Öffentlicher Personennahverkehr:
Die grüne Kreistagsfraktion strebt eine Tarifharmonisierung im Bereich des ÖPNV an. Deshalb ist die Übernahme des VRR-Tarifs für das ganze Kreisgebiet dringend geboten.
Dieser Schritt ist deshalb sinnvoll und logisch, da der Großteil der Verkehrsströme aus dem Kreis in das angrenzende VRR-Gebiet fließt.
Machen wir auch Schluss mit der ungleichen Behandlung der ÖPNV-Nutzer im Kreis Wesel.


Abfallentsorgung:
In der bundesrepublikanischen Müllpolitik haben sich, maßgeblich durch Grüne angestoßen, gute Leitlinien durchgesetzt. Die prominenteste lautet:

Müll vermeiden vor verwerten vor entsorgen!

Bei uns im Kreis Wesel gelten aber offenbar andere Maßstäbe, und die sind eindeutig, da mögen Sie noch so viele rhetorische Nebelkerzen werfen, auf Ihre Entscheidung pro MVA zurückzuführen.

Anstatt dass Müllsparen finanziell belohnt wird, beschließen Sie genau das Gegenteil! Durch die Erhöhung der Grundgebühr werden diejenigen entlastet, die viel Müll machen, diejenigen jedoch, wie im Fall der Gemeinde Hammineln, die sich erfolgreich für die Müllmengenreduzierung stark gemacht haben, werden bestraft.

Schon seit längerem hat sich die Kreistagsmehrheit von den Grundsätzen vernünftiger und zukunftsgerichteter Abfallpolitik verabschiedet.

Erstaunlich und auch bitter für die Betroffenen ist es, dass ein Ende dieser rückwärtsgewandten Abfallpolitik gar nicht erkennbar ist. Denn es ist ja nicht nur die Grundgebühr, die Zug um Zug weiter hochgeschraubt wird, auch in Sachen Biomüllerfassung, die bekanntlich von einigen Kreiskommunen sträflich vernachlässigt wird, tut sich nichts. Ein Armutszeugnis!

Bevor ich fortfahre, lassen Sie mich eines deutlich machen: Ich bin ganz und gar nicht glücklich mit dem Bild und den Ergebnissen der rot-grünen Bundesregierung. Ich nehme mir das Recht, als grüne Mitglied selbstkritisch zu grüner Politik auf Landes- und Bundesebene zu sein.

Dann kann ich mich auch glaubwürdig für eine Politik auf Kreisebene einsetzen, die getragen ist von

Nachhaltigkeit und
finanzwirtschaftlicher Verantwortung.

Nachhaltig ist eine Sozialpolitik, deren Ziel es ist, besonders sozial benachteiligten Gruppen eine selbstverantwortliche und eigenständige Lebensgrundlage zu ermöglichen.
Finanzwirtschafltich verantwortlich, ja wünschenwert, sind Projekte, durch die arbeitslose Sozialhilfeempfänger wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Hier ist die Arbeit der Wohlfahrtsverbände zu loben. Und den Mitarbeitern der Verwaltung ist zu danken, die sich – gerade im Rahmen der Beschäftigungsoffensive – vehement um diese Personengruppen gekümmert haben.

Die Beschäftigungsoffensive und deren einzelne Elemente sind ein toller Erfolg für den Kreis Wesel.
Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Menschen werden aus ihrer Arbeitslosigkeit herausgeführt. Die eingesetzten Gelder für die Beschäftigungsoffensive refinanzieren sich. Jahr für Jahr werden so Sozialhilfekosten eingespart.

Wir Grüne stellen deshalb konsequent den Antrag, den Haushaltsansatz für die Beschäftigungsoffensive so zu belassen, wie die Verwaltung ihn vorgesehen hatte.

Wir sind bereit, 2 Millionen € in Arbeit zu investieren, statt, wie CDU und FDP, Arbeitslosigkeit zu alimentieren.

Wir wollen Arbeit statt Sozialhilfe fördern. CDU und FDP hingegen machen die Ergebnisse jahrelanger, professioneller Arbeit – Menschen aus der Sozialhilfe wieder in Arbeit zu verhelfen – unter dem Vorwand der Haushaltskonsolidierung zunichte.

Integrationsprämien zur Unterstützung der Betriebe sind weiterhin zwingend notwendig.

Wir wollen einstellungswillige Unternehmen motivieren!

Hartz ist gut und richtig. Hartz greift aber nicht im Januar 2003. Deshalb kann und muss der Kreis seine erfolgreichen Programme fortsetzen. Und sehen lassen können sich diese Kreisprogramme durchaus:

1. Sie sind sozial, bringen Menschen aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit: Allein im Jahr 2001 konnten 144 Personen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.
2. Sie rechnen sich, da sich dadurch die Aufwendungen für die Sozialhilfe deutlich senken lassen.

Doch nicht genug mit der Kürzung der klassischen Programme: Die FDP setzt noch eins drauf und kürzt das Programm „Ausstieg aus der Sozialhilfe, Hilfe für Alleinerziehende mit Kindern“ um 25.000 €.

Es geht in diesem Programm nicht darum, dass Alleinerziehende mit Kindern vielleicht 50 € im Monat mehr an Sozialhilfe erhalten. Es geht nicht um ein „Rundum-Sorglos-Paket“, wie ich es in der Zeitung gelesen habe. Nein, das Programm bietet diesen Frauen, die von der Sozialhilfe leben und allein erziehend sind, einen Weg, um aus der Sozialhilfe heraus zu kommen.

Genau das ist auch das Ziel grüner Kreistagspolitik: Den Ausstieg aus der Sozialhilfe zu fördern, hin zu einem festen Arbeitsplatz!

FDP und CDU jedoch wollen an dieser so sensiblen Stelle kürzen! Sie verbauen diesen Frauen damit die Chance, in geregelte Arbeitsverhältnisse zu gelangen.

Das ist die typische Politik der FDP, den sozial Bessergestellten wohl, den sozial Unterprivilegierten weh! Sie sollten eigentlich ihren Parteinamen in PSK umwandeln: Partei der sozialen Kälte!

Was aber bei der FDP schon gar nicht mehr verwundert, weil es ja seit Jahren die gleiche Litanei ist, die uns hier vorgebetet wird, verwundert, ja erschüttert bei der CDU umso mehr. Dass Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU, als christliche Wertepartei hier bei der FDP einklinken, das verschlägt mir den Atem.

Dennoch will ich nicht alle Hoffnung aufgeben. Ich fordere daher CDU und FDP auf: Seien Sie offen für Sachargumente, erkennen Sie die Wohlfahrtsverbände als fachlich kompetente Gesprächspartner an, schenken Sie, wenn schon nicht uns, dann wenigstens diesen sozial engagierten Verbänden Gehör.

Nehmen Sie die Scheuklappen ab und die Ohrenstöpsel heraus, handeln Sie verantwortlich für die betroffenen Menschen, kehren Sie nicht die Arroganz der Mehrheitsfraktion heraus.

Das drastische Zurückfahren der Projekte im Bereich der BO
· gefährdet vorhandene und bewährte Strukturen, während
· geplante sinnvolle Maßnahmen auf der Kippe stehen.

Für die grüne Kreistagsfraktion ist die Weiterentwicklung der Beschäftigungsoffensive einer der entscheidenden Punkte in den Haushaltsberatungen. Mit der direkten Unterstützung benachteiligter Menschen und der direkten Zusammenarbeit mit heimischen Betrieben kann eine aktive und präventive Arbeits- und Sozialpolitik betrieben werden.


Ehrenamt
Auch das Ehrenamt steht auf der Kippe. Wir Grüne unterstützen nachdrücklich die ehrenamtlichen Tätigkeiten von Bürgerinnen und Bürgern insbesondere in den Bereichen:
Altenpflege,Jugendhilfe,Kultur,Umweltschutz,Sport,Bildung und Erziehung.

Unterstützen Sie uns in unserem Anliegen, das Ehrenamt zu fördern. Sie wissen genau wie wir, wir brauchen gesellschaftlich engagierte Bürgerinnen und Bürger. Und Sie wissen genau wie wir, es ist schwer, Bürgerinnen und Bürger neu für ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen.

Hier bietet das Konzept der Freiwilligenzentralen eine hervorragende Chance,
· neue Interessenten in freiwillige Tätigkeitsfelder zu vermitteln,
· Alt und Jung für neue Tätigkeiten zu qualifizieren.

Daher mein Appell: Seien auch Sie ein Multiplikator für das Ehrenamt; verhelfen Sie dem Ehrenamt zu gesellschaftlicher Anerkennung, und das nicht nur einmal im Jahr, Frau Landrätin, durch einen feierlichen Festakt; sichern Sie den Bestand der Freiwilligenzentralen!

Wägen Sie sachlich-inhaltlich ab, verprellen Sie nicht die Vertragspartner, fahren Sie das Ehrenamt nicht vor die Wand.

Bevor ich zu meiner abschließenden Bewertung komme, möchte ich Dank sagen in Richtung der Verwaltung, die uns sowohl in der Vorbereitung unserer Haushaltsklausur als auch während der Beratungen in den Ausschüssen stets mit Rat und Tat unterstützt hat.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass deutlich geworden ist, wo für uns Grüne die Knackpunkte im diesjährigen Haushalt liegen, nämlich im sozial- und arbeitspolitischen Bereich.

Wir halten es für fatal, wenn CDU und FDP in diesem höchst sensiblen Bereich so rücksichtslos mit dem Rotstift vorgehen.
Damit senden Sie ein äußerst bedenkliches Signal in den Kreis: Wenn wir sparen, dann zuerst bei den sozial Schwächeren.

Damit justieren Sie die Kreispolitik in eine Richtung, die sozial so kalt ist wie das Wetter draußen. Wir Grüne lehnen eine solche Politik des sozialen Kahlschlags entschieden ab.

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