20. Jahrestag des Brandanschlags in Hünxe

Heike Kohlhase vertrat den Bürgermeister der Stadt Hünxe beim Gedenken an dieses schreckliche Ereignis. Ihre Rede zum Gedenken an den 20 Jahrestag des Brandanschlages in Hünxe:

02.10.11 –

Heike Kohlhase vertrat den Bürgermeister der Stadt Hünxe beim Gedenken an dieses schreckliche Ereignis. Ihre Rede zum Gedenken an den 20 Jahrestag des Brandanschlages in Hünxe:

Guten Tag,

ich wäre sowie so gekommen, nun bin ich hier als stellvertretende Bürgermeisterin, und es ist für mich etwas ganz Besonderes, gemeinsam mit Euch/Ihnen an die schrecklichen Ereignisse vor 20 Jahren zu erinnern.

Ich habe damals als junge Kommunalpolitikerin diese Zeit/ Tage / Wochen/ Monate  als Einschnitt im Leben der Gemeinde Hünxe, in meinem Leben, aber vor allem im Leben der Familie von Zeinap mitgelitten!

Meine Erinnerungen sind in den letzten Tagen wieder ganz lebendig geworden. Es war Kirmeswochenende, eigentlich eine fröhliche Zeit hier im Dorf!

Ausgelassene, fröhliche Menschen prägten das Dorfleben. Dann in der Nacht zum 3. Oktober Sirenen und am nächsten Morgen der Anruf des damaligen Gemeindedirektors Hermann Hansen; es wurde ein Brandanschlag auf das Asylbewerberheim an der Dorstener Strasse verübt.

2 Kinder wurden verletzt, eins davon schwer! Fassungslosigkeit_ warum, warum hier, wer? Diese Fragen stellten wir uns! Ein Anschlag von Fremden, Nazis schien wahrscheinlich.

Alle Fröhlichkeit war verschwunden, spontan fanden sich viele Menschen bereit und hielten wochenlang Mahnwachen vor den damals vollen Asylbewerberheimen in Hünxe. Die Menschen hatten Angst, sie waren aus Ländern geflüchtet in denen sie sich bedroht fühlten und wurden nun hier genau so bedroht. Unfassbar!

Zeinap hatte schwere Brandwunden erlitten und wurde in der Unfallklinik in Duisburg behandelt, ihre Schwester wurde ebenfalls verletzt, zum Glück nicht so schwer. Die Familie stand unter Schock!

Die ev. Kirchengemeinde stellte das damalige Gemeindehaus sofort als Asyl zur Verfügung, und die Pfarrer kümmerten sich rund um die Uhr um die Familie.

Das Dorf wimmelte von Presse und Fernsehen, die Berichterstattung war teilweise reißerisch, und die Stimmung im Dorf schlug um.

"Unser Dorf ist nicht fremdenfeindlich, wir wollen uns nicht äußern"! Sprachlosigkeit war das Thema!

Als dann auch noch die Ermittlungen ergaben, dass Jugendliche der Gemeinde den Anschlag verübt hatten, war das Schweigen noch größer! Heute würde ich sagen, große Verunsicherung, Schock. Damals war ich wütend: Sollte alles unter den Teppich gekehrt werden?

Ein Fernsehteam vom Hessischen Rundfunk, unter der Regie von Esther Schapira war lange Zeit hier und versuchte heraus zu finden wo die Wurzeln für den Brandanschlag zu suchen waren. Die Stimmung in ganz Deutschland war vor 20 Jahren ausländerfeindlich. Parolen wie „das Boot ist voll“ waren täglich zu hören. Blödsinnigen Stammtischparolen wie „die Asylbewerber nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg“, waren an der Tagesordnung. Es gab viele Anschläge auf Asylbewerber: Hoyerswerder, Solingen nur exemplarisch genannt. Es war die Zeit der Gutscheine, der Entmündigung!

In Hünxe gab es eine rechtsorientierte Szene, die aber wie in so vielen Orten nicht ernst genommen und die Jugendlichen, die den Brandanschlag verübten, fühlten sich auf der Welle der allgemeinen Stimmung.

Ja, es gab Spaltungen im Dorf: Netzbeschmutzer wurden die genannt, die aufklären wollten. Auch im Rat der Gemeinde wurde die Stimmung aggressiv, das Thema sollte jetzt endlich beendet werden.

Aber Zeinaps Wunden bleiben ein Leben lang! Vor 10 Jahren war sie hier zum Erinnern, ich weiß nicht, wo sie heute ist, wie ihr Leben verlaufen ist.

Aber die vielen Operationen, die Narben, die Ängste werden ihr Leben begleiten.

Ich bin froh, dass es heute möglich ist, zu erinnern an die furchtbare Tat von jungen Menschen an jungen Menschen aus dem Libanon. Von dort sind sie geflohen, um hier in Deutschland Frieden zu finden. Hier bei uns sind sie verwundet worden - und das ist nie wieder gut zu machen.

Danke an die Organisatoren dieser Veranstaltung. Ich denke, dies ist ein Zeichen dafür, dass es heute möglich ist, zu der negativen Geschichte der Gemeinde zu stehen.

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Informiere Dich weiter:

Annelie Buntenbach, heute Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB, und Bernd Wagenfeld haben in der Broschüre "Hoyerswerda ist überall" eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung angestellt, wie es zu einer solchen Stimmung kommen konnte. Mehrere Seiten sind auch den Ereignissen in Hünxe gewidmet:

 

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