Pressemitteilung des VSR zur Gülleproblematik

Berlin hinkt bei der Novellierung der Düngeverordnung wieder hinterher und sieht der Eutrophierung der Nord- und Ostsee tatenlos zu.

19.07.14 –

Berlin hinkt bei der Novellierung der Düngeverordnung wieder hinterher und

sieht der Eutrophierung der Nord- und Ostsee tatenlos zu.

(Geldern, 14. 7. 2014) Bereits 2003 ist die deutsche Düngeverordnung erst aufgrund einer Verurteilung durch den europäischen Gerichtshof geändert worden. Nun droht Deutschland wegen der Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie erneut eine Vertragsverletzungsklage. „Die Nitratbelastung des Grundwassers wäre in den Regionen mit Massentierhaltungen ohne diese aus Brüssel erzwungene Änderung der Düngeverordnung heute noch gravierender.“ so Susanne Bareiß-Gülzow, Vorsitzende im VSR-Gewässerschutz. Man wollte damals die in der Nitratrichtlinie die vorgesehene Obergrenze von 170 kg Stickstoff je Hektar aufweichen. Bis zu 20 % Stickstoffverluste durch die Ausbringung durften die Landwirte in der ursprünglichen Form der Düngeverordnung bei der Gülleaufbringung abziehen, so dass letztendlich statt den 170 kg Stickstoff mehr als 200 kg aufgebracht werden konnten. Dies akzeptierte das Gericht aber nicht. Durch diese erzwungene Änderung der Düngeverordnung mussten die Massentierhaltungen ab 2003 für die Aufbringung ihre Gülle 25 % mehr Flächen nachweisen. „Ohne diese Änderung hätten die Massentierhaltungen bei gleicher Fläche mehr Tiere halten und noch mehr Gülle produzieren dürfen.“ so Susanne Bareiß-Gülzow.

Die immer noch zu hohe Nitratbelastung im Grundwasser veranlasste Brüssel bereits im letzten Jahr auf eine wirkungsvollere deutsche Düngeverordnung zu drängen. Doch in Berlin wollte man nicht wie in Den Haag oder Kopenhagen den Vorschlägen der EU-Kommission folgen und so passierte bis heute erst mal nichts. „Die bisher getätigten Vorschläge der Bundesregierung bezüglich der Novellierung der Düngeverordnung hätten nur sehr geringfügig zur Reduzierung der Nitratbelastung im Grundwasser beigetragen. Die Grundwassermesswerte des VSR-Gewässerschutz zeigen, dass in vielen Regionen Nitratkonzentrationen über 50 mg/l vorliegen, zum Teil steigen diese sogar an. Daher ist die Forderung der EU-Kommission nach einer stärkeren Begrenzung der Düngemittel dringend nötig.“ so Susanne Bareiß-Gülzow.

Die Umsetzung der Nitratrichtlinie erfolgt in Deutschland wie auch in Niederlande und Dänemark im Wesentlichen über die jeweilige Düngeverordnung. Alle drei Länder haben eine hohe Anzahl von Massentierhaltungen und damit ein hohes Aufkommen an Gülle. Wie auch in Deutschland führten gerade auch die Regionen mit hohen Viehdichten zu einer enormen Nitratbelastung der Gewässer. Die Trinkwasservorräte werden von den gigantischen Düngermengen bedroht und die Flüsse transportieren das Nitrat in die Nord- und Ostsee, wo es zu Schaumbildung und Algenteppichen kommt. Aus diesem Grund haben Niederlande und Dänemark schon seit langem eine Düngeverordnung durchgesetzt, die die gesamte Düngermenge wesentlich stärker einschränkt. Erste Erfolge wurden dort bereits sichtbar. 2008 ist zudem die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten sind nun aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um spätestens bis zum Jahr 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen. Ohne eine Verringerung der Düngemittelausbringung wird Berlin auch an dieser Herausforderung scheitern.

In Niederlande und Dänemark müssen die Landwirte mit ihrer Gülle viel effizienter umgehen. Verlustärmere Ausbringungstechniken und Einschränkungen in der Möglichkeit hohe Stickstoffverluste durch Einsatz von mehr Mineraldünger auszugleichen haben dazu geführt, dass Gülle nicht zum Abfall verkommt, sondern einen Wert für die Landwirtschaft darstellt. In Deutschland dagegen sind immer noch Ausbringungstechniken erlaubt, die in den beiden Nachbarländern schon längst verboten sind. Diese kostengünstige Methode die Gülle über die Felder zu spritzen kann aber kaum eine effiziente Stickstoffversorgung der Pflanzen garantieren. Die zähe Masse aus dem Ställen wird an manchen Stellen zu dick und an anderen wiederum zu dünn aufgetragen. Damit überall ausreichend Dünger aufgebracht wird, muss die gesamte Menge notgedrungen etwas großzügiger bemessen werden. Dies soll in Deutschland aber so bleiben. Nur Breitverteiler, die die Gülle auch nach oben durch die Luft schleudern, sollen bis 2016 verboten werden.

Die gesetzliche Höchststickstoffmenge, die auf den Feldern landet, hängt in Deutschland nicht wie in Niederlande vom Bodentyp, dem Bewuchs oder der Pflanzensorte ab. Die einzigste Begrenzung ist bisher der von der Nitratrichtlinie vorgegebene Wert von 170 kg/Hektar Stickstoff aus tierischen Düngern, also der Gülle. Für Gärreste gibt es bis heute keine Begrenzung. Dabei hätte man gerade hierzulande, wo zwei Drittel der in der Europäischen Union betriebenen Biogasanlagen stehen, reagieren müssen. Neben Energie in Form von Gas und elektrischen Strom liefern die Anlagen große Mengen an Gärresten. Da in ihnen häufig statt Gülle vor allem Mais eingesetzt wird, wirkt sich die Beschränkung der aktuellen Düngeverordnung nicht aus. Gärreste aus vergorenem Mais gehören nicht zum tierischen Wirtschaftsdünger und somit gilt für diese die aktuelle Obergrenze von 170 kg/ha nicht.

Aber auch für die Verwendung an Mineraldüngern gibt es keine Obergrenze. Deutsche Landwirte dürfen davon soviel düngen wie sie wollen. Da die Kosten für eine effiziente Gülle- und Gärresteaufbringung zum Teil höher liegen als mit Mineraldünger zu düngen, sinkt der Wert der hofeigenen Wirtschaftsdünger für den Landwirt. Unsere Gesetzeslage führt dazu, dass dieser vor allem nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf den Feldern aufgebracht und die dabei verloren gegangenen Stickstoffe durch Mineraldünger ersetzt werden. Die Stickstoffverluste landen im Grundwasser. Das haben niederländische Politiker bereits 2006 erkannt. Damals wurde wegen den hohen Stickstoffbelastungen und der Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie von der EU-Kommission auf eine Begrenzung der Gesamtstickstoffmenge von Gülle, anderen organischen Düngemittel und Mineraldünger gedrängt. Seitdem gelten in den Niederlanden Stickstoffobergrenzen abhängig von Boden und Pflanze. Grenzwerte für die Gesamtstickstoffbelastung sind klare Regeln, die auch kontrolliert werden können.

Demgegenüber bestehen hierzulande Regeln, die sogar unlogisch sind. Zum Beispiel ist eine Stickstoffaufbringung von 180 kg/ha mittels Gülle illegal, da der Grenzwert von 170 kg/ha überschritten wurde. Dagegen ist eine Aufbringung von 170 kg/ha Stickstoff aus Gülle und weiteren 200 kg/ha Stickstoff aus Mineraldünger, d.h. 370 kg/ha Stickstoff legal, da der Grenzwert eingehalten wurde, obwohl wesentlich mehr Stickstoffe aufgebracht wurden. „Nitrate, die durch starke Regenfälle in tiefere Schichten verlagert wurden, können nicht mehr von den Pflanzen ausgenutzt werden. Ob sie aus Gülle, Gärresten oder Mineraldünger stammen ist egal – sie landen im Grundwasser.

„In der zukünftigen Düngeverordnung müssen Anreize gesetzt werden die Stickstoffverluste in die Luft und ins Grundwasser so weit wie möglich zu verringern. Es ist ein Jammer, dass in unserem Land ein guter Ertrag nicht bedeutet, dass ein Betrieb einen guten Ackerbau betreibt, sondern unter Umständen seine Fehler mit einem größeren Düngereinsatz ausgeglichen hat. Das was heute an Gülle, Gärresten und Mineraldüngern auf den Feldern landet wird nur zu einem Teil von den Pflanzen aufgenommen. Der Rest geht in die Luft und ins Grundwasser. Um diesen Anteil zu verringern brauchen wir eine nach dem Vorbild von Dänemark und Niederlande novellierte Düngeverordnung.“ so Susanne Bareiß-Gülzow.

Kontakt: Dipl.-Phys. Harald Gülzow, Tel. 0170 3856076

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