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07.11.14 –
Jetzt müssen EU-Kommissionspräsident Juncker und Finanzminister Schäuble allen beweisen, dass sie die Interessen der europäischen Bürger vor steuervermeidende Großunternehmen und Steueroasen stellen.
Die Vorschläge sind längst da. Bislang fehlte der politische Wille. Die Gelegenheit von "Luxemburg-Leaks" darf nicht ungenutzt bleiben.
Politische Tatenlosigkeit würde den Europafrust unverantwortlich verstärken. Daher ist hier der Grüne 8-Punkte-Plan gegen aggressive Steuervermeidung in Europa:
1. Transparenz per Gesetz statt Leaks
Zentraler Bestandteil des Skandals um die Luxemburg-Leaks waren Einzelabsprachen zwischen den (luxemburgischen) Steuerbehörden und Großunternehmen, sogenannte "tax rulings". Auch in Irland und den Niederlanden gibt es solche maßgeschneiderten Steuerbescheide. Die Öffentlichkeit sollte das Recht haben, so etwas nicht erst durch investigativen Journalismus zu erfahren, sondern durch ein öffentliches Register. Die Notifizierung und Veröffentlichung als Voraussetzung für ihre Gültigkeit ließe sich durch eine Änderung der EU- Rechnungslegungsrichtlinie erreichen. Sie erfordert lediglich eine Qualifizierte Mehrheit und die Zustimmung des Europaparlaments.
2. Volle Transparenz für Unternehmensgewinne
Alle Modelle zur aggressiven Steuergestaltung setzen voraus, dass unklar bleibt, wo Großkonzerne wie viel Gewinne erwirtschaften.
Wichtiges Gegenmittel ist deshalb die volle Transparenz durch vollständige Berichterstattung Land für Land ("country by country-
reporting") über Gewinn, Steuern, Umsätze, Zahl der Arbeitnehmer, etc.
Dies gilt ab 2015 bereits durch die Capital Requirements Directive
(CRD) für Banken. In einer Ergänzung der EU-Rechnungslegungsrichtlinie ließe sich dies im Mehrheitsverfahren für alle Großunternehmen aller Wirtschaftsbereiche allgemeinverbindlich machen. Großunternehmen sollten ihre gesamte Konzerntruktur und die Leistungs- und Finanzierungsbeziehungen im Konzern öffentlich machen.
3. Ungenehmigte steuerliche Beihilfen zurückfordern
Großunternehmen, die zu Lasten des Mittelstands und aller SteuerzahlerInnen ihren Beitrag zum Gemeinwesen auf teils nur 1 Prozent gedrückt haben, gehören nicht nur an den Pranger, sondern müssen diese illegale Beihilfe auch zurückzahlen. Die EU-Kommission muss Steuerdrückerei nicht nur in der Zukunft verhindern, sondern auch die üblichen Konsequenzen von Beihilfeverfahren im aktuellen Skandal einfordern. Während die EU Geld für Investitionen in Jobs und Klimaschutz sucht, müssen diese Rückforderungen möglichst schnell eingetrieben werden.
4- Prüfpersonal statt Worte
Bestehende Tax rulings und einige andere Formen aggressiver Steuervermeidung wurden auch bisher schon teilweise öffentlich. Der letzte EU-Wettbewerbskommissar Almunia hatte sie nach Prüfung durch seine BeamtInnen teils als illegale Staatsbeihilfe enttarnt. Dagegen kann die EU-Kommission nach bestehendem Wettbewerbsrecht bereits vorgehen. Allerdings fehlt der entsprechenden Einheit in der Generaldirektion Wettbewerb das nötige Prüfpersonal. Bisher arbeiten dort nur 8 (!) MitarbeiterInnen. Um die Untersuchungen (Irland, Niederlande, Luxemburg, Gibraltar) endlich zu vertiefen und auf mögliche andere Mitgliedstaaten auszuweiten, muss Personal aufgestockt werden. Die Verstärkung des Personals ist angesichts der Rückforderung von Beihilfen eine gute Investition. Diese Personalentscheidungen kann die EU-Kommission im Rahmen ihrer eigenen Umsetzungsmöglichkeiten des EU-Haushalts sofort treffen. Die Ernsthaftigkeit aller Aussagen von Kommissionspräsident Juncker und der zuständigen Kommissarin Vestager lässt sich also direkt an der Zahl der Neueinstellungen in der entsprechenden Abteilung ablesen.
5. Versteckspiel mittels Zinsen und Lizenzgebühren beenden
Viele bisherige Steuersparmodelle, zum Beispiel bei Starbucks, basieren darauf, reale Gewinne mit scheinbaren Verlusten zu verrechnen, indem ein Teil der Firma an einen anderen Zinsen und Lizenzgebühren zahlen muss. Die finanzielle Zentrale des Konzerns liegt dann jeweils dort, wo auf Zinsen und Lizenzgebühren wiederum fast keine Steuern zu zahlen sind (im Falle von Starbucks in den Niederlanden). Diese Schlupflöcher lassen sich durch eine Reform der Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie sowie der Fusionsrichtlinie schließen. Die steuerlichen Begünstigungen von Zins- und Lizenzgebührenflüssen im Binnenmarkt müssen an effektive Mindeststeuersätze gebunden werden.
6. Einheitliche Bemessungsgrundlage für die Unternehmensteuer von Großkonzernen
Bisher unterscheidet sich von Land zu Land, worauf genau Unternehmen ihre Körperschaftssteuer zu entrichten haben. Eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) vereinfacht die Berechnung. Für ohnehin grenzüberschreitend aktive Großunternehmen soll sie verpflichtend eingeführt werden. Das Europaparlament hat bereits klargemacht, dass eine freiwillige Anwendung wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, gegen aggressive Steuervermeidung nichts bringt. KMUs können parallel die bisherigen Vorschriften weiter anwenden.
7. Mindeststeuersätze für die EU-Unternehmenbesteuerung
Auf dieser Grundlage können Europaparlament und die Bundesregierung mit anderen Partnern eine Initiative für Mindeststeuersätze in der EU- Körperschaftsbesteuerung ergreifen. Wie bereits bei der Mehrwertsteuer erfordert der EU-Binnenmarkt Mindestregeln, um den Wettbewerb nicht unfair werden zu lassen. Diese Steuersätze können sich nach Wohlstand der Mitgliedsländer unterscheiden.
8. EU-Mindeststandards für Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Drittstaaten
Wenn alle innereuropäischen Schlupflöcher abgedichtet sind, müssen auch Umgehungswege durch Drittstaaten inklusiver sogenannter Steueroasen geschlossen werden. Dafür müssen die kürzlich verbesserten Regeln zum automatischen Informationsaustausch wasserdicht werden. Weitere Umgehungsmethoden können durch eine Mindestquellensteuer, und die Anrechnungsmethode statt der Freistellungsmethode bei fehlender Mindestbesteuerung im Partnerland verhindert werden. Die Doppelbesteuerungsabkommen der Mitgliedsländer mit Drittstaaten brauchen gemeinsame Standards. Mit Steueroasen sollten generell keine Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen werden.
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