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24.08.02 –
In zentralen Handlungsfeldern wurden richtige Weichenstellungen vorgenommen, zu einem großen Teil mit guten Ergebnissen, in anderen Bereichen hinter den Forderungen des NABU zurück bleibend.
Schwerpunkt in der ersten Hälfte der Legislaturperiode war die Energiewende. Der Atomausstieg sollte im Konsens mit den Atomkraftbetreibern realisiert werden. Dies allerdings gab den Energieunternehmen einen starken Hebel in die Hand, um einen schnellen Ausstieg zu unterbinden.
Am Ende steht nun das schrittweise Auslaufen der Atomenergienutzung. In zehn Jahren werden die meisten deutschen Atomkraftwerke nicht mehr in Betrieb sein, der letzte Reaktor wird in etwa 18 Jahren vom Netz gehen.
Die umweltschädigende und gesundheitsgefährdende Wiederaufarbeitung deutschen Atommülls wird ab 2005 verboten.
Der Ausstieg aus der Atomenergie wurde vom Einstieg in die erneuerbaren Energieträger begleitet.
Mit dem "Erneuerbare-Energien-Gesetz" wurde ein im internationalen Vergleich beispiellos ambitionierter Rahmen für eine umweltfreundliche Energieversorgung geschaffen.
Von den Unionsparteien und der FDP wurde der Atomausstieg im Parlament massiv bekämpft. Einige unionsregierte Länder versuchten erfolglos, die Atomgesetznovelle vom Bundesverfassungsgericht stoppen zu lassen.
Glanzpunkt Ökologische Steuerreform:
Die Ökologische Steuerreform gehört zu den herausragenden Errungenschaften dieser Legislaturperiode.
Zwar ist Kritik im Detail angebracht, so etwa an den pauschalen Sonderregelungen für das produzierende Gewerbe und der immer noch bevorzugten steuerlichen Behandlung von Kohle und Uran.
Dennoch: Die schrittweise Verteuerung von Energie ist richtig. Richtig auch, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurück gezahlt wurden, indem die Mittel zur Entlastung der Rentenkassen führten.
Der Vorwurf, die Ökosteuer sei nicht "öko", weil damit nicht Umweltprojekte, sondern die Renten finanziert werden, ist dagegen unseriös.
Knappe Energieressourcen werden verteuert, das führt zum Energiesparen und zu mehr Klimaschutz.
Wie kein anderes Projekt der Koalition haben CDU/CSU und FDP die Ökosteuer bekämpft, mit Kampagnen an Tankstellen, die an inhaltlicher Substanzlosigkeit kaum zu überbieten waren.
Das gleiche Bild beim Naturschutz: Nachdem unter der ehemaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel das Bundesnaturschutzgesetz massiv zu Gunsten der Landwirtschaft verschlechtert wurde, ist mit der kürzlich in Kraft getretenen Naturschutzreform ein großer Fortschritt erzielt worden.
Gerade die Neuordnung des Verhältnisses von Naturschutz und Landwirtschaft ist dabei auf massiven Widerstand von Union und FDP gestoßen.
Im Bundesrat wurde das Gesetz von unionsgeführten Ländern abgelehnt und in den Vermittlungsausschuss überwiesen.
Dort zeigte auch die PDS, dass ihre Umweltpolitik dann zum Lippenbekenntnis wird, wenn es zum Schwur kommt: Das rot-rot regierte Mecklenburg-Vorpommern stellte sich vor allem bei der Frage der Verbandsklage gegen den Naturschutz und die Naturschutzverbände.
Ein besonderer Erfolg war die Sicherung der ostdeutschen Naturschutzgebiete. Bereits Helmut Kohl hatte einen vorübergehenden Verkaufsstop für solche Flächen des früheren volkseigenen Vermögens angeordnet, die in Naturschutzgebieten oder Nationalparken liegen. Dennoch drängten die Treuhandnachfolgegesellschaft BVVG und das Bundesfinanzministerium auf eine weitere Privatisierung. So sieht der Kompromiss aus: 50.000 Hektar besonders wertvoller Flächen stehen nun den Ländern oder Naturschutzverbänden für eine kostenlose Übernahme zur Verfügung, für weitere 50.000 Hektar gibt es ein Vorkaufsrecht – allerdings zum Verkehrswert.
Die Agrarwende:
Völlig unverhofft kam in der Mitte der Legislaturperiode die Agrarwende. Als Folge des BSE-Skandals setzte der Bundeskanzler auf eine Abkehr von der alten Landwirtschaftspolitik und auf Reformen durch die neue Verbraucherschutz- und Agrarministerin Renate Künast:
Weg von den Agrarfabriken, hin zu mehr Ökolandbau, zu einer multifunktionalen Landwirtschaft mit geschlossenen Kreisläufen.
Mit einer massiven Förderung des Ökolandbaus, dem Aus für die tierquälerische Hühnerhaltung und ersten Umschichtungen bei den Agrarsubventionen ist endlich Bewegung in eine verkrustete Landwirtschaftspolitik gekommen.
Die notwendigen Veränderungen sind jedoch eine Herkulesaufgabe, die nicht binnen Jahresfrist bewältigt werden kann.
Weitgehend unbeackert blieb dagegen die überfällige Neuausrichtung der Verkehrspolitik. Die jetzt eingeführte LKW-Maut ist zwar ebenso ein Schritt in die richtige Richtung wie die verstärkte Förderung der Bahninfrastruktur. Insgesamt ist die Verkehrspolitik immer noch davon geprägt es allen recht machen zu wollen. Veränderungen ergeben sich daraus aber nicht, der Straßenverkehr mit all seinen Problemen wächst weiter.
Mit der Verabschiedung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung schließlich eine wegweisende Klammer um die einzelnen umweltpolitischen Handlungsfelder gespannt. 21 Indikatoren sollen notwendige Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft aufzeigen und messbar machen. Erstmals wird auf diese Weise konkret beschrieben, was Nachhaltigkeit für Deutschland konkret bedeutet und welche Schritte zum Erreichen der Ziele erforderlich sind.
Anpfiff für die nächste Runde:
Wie gehen die Parteien umweltpolitisch an den Start? Wo liegen die Schwerpunkte, findet sich Kompetenz oder Ignoranz? Hier die Ergebnisse des NABU-Kurztest:
SPD – umweltpolitische Kontinuität, aber kaum konkrete Zusagen!
Beim Thema Umwelt hält es die SPD in ihrem Wahlprogramm wie bei vielen Themen: nur nicht zu konkret werden. Allgemeine Bekenntnisse zur Förderung der regenerativen Energien, allgemeine Bekenntnisse zur Fortführung der Agrarwende. Nur wenige konkrete Aussagen: Der Anteil der regenerativen Energien soll stark ausgebaut werden, die Wasserstofftechnik eine Chance erhalten. Erfreulich: Im Städtebau setzt die SPD auf kinderfreundlichere Städte mit mehr Radwegen und ÖPNV. In den anderen Bereichen der Verkehrspolitik sind Unterschiede zur CDU hingegen schon kaum mehr auszumachen. Stärkung der Verbraucherpolitik – hier will die SPD kräftig ausbauen. So macht das Wahlprogramm einen insgesamt eher vagen Eindruck, obgleich sich die Bilanz der Bundesregierung in vielen dieser Felder sehen lassen kann. Ärgerlich: Beim Naturschutz finden sich weder Problembeschreibungen, noch konkrete Initiativen.
CDU – naturverbunden, aber technologisch blind!
Die CDU gibt Fragen des Natur- und Umweltschutzes in ihrem Wahlprogramm einen recht breiten Raum. Anders als PDS oder FDP hält die CDU eine aktive Naturschutzpolitik für eine wichtige politische Aufgabe. Im Gegensatz zur FDP wird auch nicht die Abschaffung des Bundesnaturschutzgesetzes gefordert. Beim Thema Agrarpolitik spiegelt das Programm die Vielfalt in der Union. Auf der einen Seite soll die bäuerliche Landwirtschaft gefördert werden, zum Beispiel durch Agrarumweltmaßnahmen – auf der anderen Seite soll die "Veredelungswirtschaft" in Deutschland weiter ausgebaut werden.
Das aber heißt mehr Umweltverschmutzung durch die Landwirtschaft. Kaum zu erwarten, dass sich in diesem innerparteilichen Meinungswettstreit, die Agrarindustrie nicht durchsetzen wird.
Beim Naturschutz hält der NABU zwar andere Instrumente als die von der CDU vorgeschlagenen für besser, aber immerhin werden Ziele genannt.
Im Bereich der Energie- und Technologiepolitik setzt die CDU teilweise auf Auslaufmodelle. Völlig inakzeptabel:
Die CDU will wieder in die Atomenergie einsteigen, plädiert sogar für den Endlagerstandort Gorleben!
Die von ihr vorgeschlagene schadstoffbezogene Abgabe, die zur Kohlendioxid-Einsparung führen soll, hat zwar auch ihren Charme – doch da sie nur eingeführt werden soll, wenn sie europaweit kommt, ist sie keine Alternative zur derzeitigen Öko-Steuer.
Bündnis 90/Die Grünen – Spitzenreiter im Parteientest
... So aber kann man feststellen, dass im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen nicht nur die wichtigsten Herausforderungen für Umwelt und Gesundheit benannt, sondern auch zahlreiche Lösungsansätze vorgestellt werden.
Bemerkenswert: Die Grünen sind die einzigen, die Vorschläge zur Senkung des Flächenverbrauchs machen. Und auch die ökologische Finanzreform soll nicht ad acta gelegt, sondern weiter entwickelt werden. Im Verkehrsbereich wird eindeutig auf die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger gesetzt.
Ihr Plädoyer für mehr Möglichkeiten der Bürger, sich an Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen, ist Wasser auf die Mühlen des NABU. Auch beim Naturschutz wollen die Bündnisgrünen nicht bei der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes stehen bleiben.
Neue Initiativen werden insbesondere für den Schutz von Meeren und der Wäldern sowie für die Bewahrung des nationalen Naturerbes angekündigt.
FDP – Partei der ökologischen Modernisierung?
Die FDP lobt sich in ihrem "Bürgerprogramm 2002" als Partei der ökologischen Modernisierung. Gerecht wird sie diesem Anspruch jedoch nur bei sehr wenigen Themen.
Zwar bekennt sich die FDP zum nationalen Klimaschutzziel und will die Steinkohle-Subventionen bis zum Jahr 2005 zurückfahren.
In allen anderen Bereichen aber ist die FDP das Schlusslicht: Abschaffung der Ökosteuer, Wiedereinstieg in die Atomenergienutzung, Abschaffung des gerade erst novellierten Bundesnaturschutzgesetzes, geringere Förderung für den ökologischen Landbau, schließlich der weitere Ausbau der Flüsse in Ostdeutschland.
Mit Liberalisierung und dem Abbau von Vorschriften alleine wird jedoch eine zukunftsfähige Umweltpolitik nicht zu gestalten sein.
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