Aktuelle Lage zur Steinkohledebatte

die Medien sind voll davon, es hat auf der Ebene der großen Koalition und der Bundesländer in Berlin offenbar eine Verständigung darüber gegeben, die Subventionierung der Steinkohleförderung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2018 einzustellen

03.02.07 –

Dies ist grundsätzlich eine richtige Entscheidung. Allein das Land Nordrhein-Westfalen subventioniert den Bergbau jährlich mit rund 600 Mio. Euro, der Bund mit rund 2 Mrd. Euro. Die Förderkosten der heimischen Steinkohle belaufen sich zurzeit im Schnitt aller Zechen auf 190 Euro/Tonne, Importkohle wird frei deutsche Grenze im Moment für 61 Euro eingeführt. Angesichts der knappen Haushaltslage von Bund und Land und der Perspektive, dass die Förderkosten tendenziell auf Grund großer geologischer Probleme nur noch steigen, ist eine perspektivische Einstellung der Subventionen der einzig richtige Schritt.

Für den Bergbau gilt als Prinzip im Anpassungsprozess der letzten Jahrzehnte, dass die Bergleute nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Untertägig Beschäftigte des Bergbaus melden sich mit 49 Jahren zur Frühverrentung an, übertägig Beschäftige mit 55 Jahren. Bei Einhaltung dieses Grundsatzes wäre ein Ausstieg aus der aktiven Steinkohleförderung ohne Entlassungen bereits 2015 möglich. Die drei Jahre zusätzlicher Förderung, die jetzt in Berlin vereinbart worden sind, werden allein ca. 6 Mrd. Euro an Subventionen kosten. Sie sind der Preis für den "Berliner Kompromiss" der großen Koalition zwischen CDU und Sozialdemokraten.

Es darf allerdings niemand glauben, dass mit dieser Grundsatzentscheidung die offenen Fragen bei der Steinkohle gelöst seien und die Arbeit getan ist. Ganz im Gegenteil: In den nächsten Wochen und Monaten müssen noch viele Fragen, die insgesamt ein Finanzvolumen von ca. 35 Mrd. Euro beinhalten, geklärt werden - und dabei natürlich auch die entscheidende Frage, wer diese Gelder zur Verfügung stellt.

Die Ewigkeitslasten des Bergbaus, die auf einen konstant zu finanzierenden Sockel von 400 Mio. Euro geschätzt werden, sollen nach den derzeitigen Planungen von einer Stiftung finanziert werden, in die der Erlös für den Verkauf der "weißen Teile" der RAG (Degussa, Steag, Immobilien) und die Rückstellungen der RAG/DSK fließen.

Ob diese Gelder ausreichen, um die Alt- und Ewigkeitslasten des Bergbaus sicher abzudecken, ist aus meiner Sicht zweifelhaft. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat in einem Gutachten vom 23. November 2006 erstmals umfassend eine Zusammenstellung über Alt- und Ewigkeitslasten vorgelegt. Dabei sind die Unterhaltungs- und Erneuerungskosten für die Deiche an Rhein, Emscher, Lippe und die anliegenden Kanalsysteme (Rhein-Herne-Kanal, Weser-Datteln-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal etc.) offensichtlich nicht enthalten. Ob die angesetzten Beträge zur Sanierung der 2200 Schächte der RAG, deren Lage und Zustand zurzeit weitgehend noch nicht bekannt ist, ausreichen (hierfür wurden 438 Mio. Euro angesetzt), kann auch nicht als gesichert gelten. Allein die Wasserhaltung der oberflächennahen Gewässer wird 50 Mio. Euro/Jahr kosten, die Wasserhaltung der Tiefenwässer im Bergbau (unterhalb von 800 Metern), die beibehalten werden soll, um die Trinkwassergewinnung nicht zu gefährden, wird mit 102 Mio. Euro/Jahr auf Dauer veranschlagt. Es wird ein "ewiger Personalbedarf" von 371 Mitarbeitern benötigt, um auch nach Einstellung des Bergbaus auftretende Schäden, Wasserhaltungsmaßnahmen etc. zu bearbeiten.

Hier sind noch Nacharbeiten zur kompletten Erfassung der anstehenden Ewigkeitslasten notwendig.

Kurzfristig vorgelegt werden muss eine Stilllegungsplanung für die noch in Betrieb befindlichen Zechen. Es ist nach einer aktualisierten Planung der RAG vorgesehen, die Fördermenge bis 2012 auf 12 Mio. Tonnen zu reduzieren. Die Stilllegung der Zeche Walsum soll vorgezogen werden auf den 31.12. dieses Jahres, die Stilllegung des Bergwerks Lippe in Gelsenkirchen auf den 31.12.2008 und zwei weitere Bergwerke - voraussichtlich aus Nordrhein-Westfalen - sollen zum 1.1.2010 und zum 1.7.2011 geschlossen werden. Dann würden 2012 noch vier Zechen in Betrieb sein. Diese Stilllegungsplanung sollte sofort vorgenommen werden, damit alle betroffenen Kommunen, die betroffenen Bürger/innen und die Beschäftigten Bescheid wissen. Stilllegungskriterien sind - neben der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Zechen und der Sozialverträglichkeit für die Beschäftigten - auch, und das muss politisch durchgesetzt werden, die Folgeschäden, die von den einzelnen Standorten bei Weiterführung des Bergbaus ausgehen, sowohl was Ewigkeitslasten als auch was die Folgeschäden des Abbaus unter dicht besiedelten Gebieten angeht. Es darf nicht sein, dass - bei nur noch wenigen Jahren Laufzeit - ohne Berücksichtigung dieser Kriterien unnötige Folgeschäden verursacht werden, die dann wiederum über Subventionen der öffentlichen Hand zu tragen wären.

Darüber hinaus sind Details der Stiftung und der Haftungsaufteilung zwischen Bund und den Kohleländern NRW und Saarland bisher noch völlig ungeklärt und ebenso die Kostenaufteilung für die Subventionierung der aktiven Förderung in den nächsten 11 Jahren. Die zugesagten Subventionen für den Bergbau im Jahr 2006 reichten nicht aus, sondern es entstand ein Mehrbedarf allein in diesem Jahr von 433 Mio. Euro. Selbst bei einer Reduktion der Fördermenge auf 12 Mio. Tonnen ist mit einem Mehrbedarf von 1,5 Mrd. Euro bis 2012 gegenüber den seinerzeit von Bundeskanzler Schröder zugesagten Finanzmitteln zu rechnen. Deshalb kommt der Frage der Aufteilung der Finanzen für die nächsten 10 Jahre eine außerordentliche Bedeutung zu. Es ist bei zunehmend schwieriger werdenden geologischen Bedingungen für die Kohle, nicht ausgeschlossen, dass die Gesamthöhe der Subventionen für den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen nicht, wie bisher erwartet, deutlich sinkt, sondern im Worst-Case-Szenario sogar noch steigen wird. Zurzeit gibt es jedenfalls Indizien, die in diese Richtung deuten.

Soviel in aller Kürze. Ich gehe davon aus, dass mit der angeblichen Verständigung in Berlin nur ein erster allgemeiner Punkt gesetzt ist. Es stehen noch langfristige Verhandlungen um wichtige Details an.

Falls weitere Informationen zur Steinkohle gewünscht werden bitte ich um Rückfragen an reiner.priggen@remove-this.landtag.nrw.de

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